Osteoporose erkennen und behandeln
Mehr als fünf Millionen Menschen in Deutschland leiden an Osteoporose. Rund 400.000 Knochenbrüche an Unterarm, Schenkelhals oder Wirbelsäule pro Jahr sind auf den Knochenschwund zurückzuführen. Die Hälfte der Patienten ist jünger als 50 Jahre, ein Drittel sind Männer. Die meisten erfahren erst sehr spät oder zufällig von ihrer Erkrankung, da diese lange Zeit keine Beschwerden verursacht und meist erst bei einem Knochenbruch oder Schmerzen diagnostiziert wird. Experten schätzen, dass nur jeder fünfte Osteoporosepatient rechtzeitig erkannt und therapiert wird.
Die Knochensubstanz befindet sich im ständigen Umbau. Dafür sind spezialisierte Zellen zuständig: Die sogenannten Osteoklasten bauen Knochen ab und die sogenannten Osteoblasten bilden neue Knochensubstanz. Normalerweise besteht in diesem System ein Gleichgewicht. Überwiegt jedoch der Knochenabbau, kommt es zum gefährlichen Knochenschwund. Mit der Abnahme der Knochensubstanz verändert sich die Architektur des Knochens, sodass er den normalen Anforderungen nicht mehr standhalten kann. Schon kleinste Krafteinwirkungen können dann Knochenbrüche verursachen. Am häufigsten betroffen sind die Wirbelkörper, der Oberschenkelhals sowie die Handgelenke.
Welche Symptome sind typisch?
Zu den typischen Symptomen gehören Knochenbrüche aus geringfügigem Anlass, akut auftretende, anhaltende Rückenschmerzen, Größenverlust um mehr als vier Zentimeter innerhalb eines Jahres, sehr niedriges Körpergewicht oder ungewollter Gewichtsverlust um mehr als zehn Prozent und eine Verringerung des Rippen-Becken-Abstandes auf unter zwei Finger Breite.
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"Osteoporose kann man auch schon im jungen Alter haben"
01.12.2009 | 20:15 Uhr
NDR Fernsehen: Visite
Chirurg Prof. Michael Amling vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und Dr. Hans-Ulrich Schmidt, Orthopäde aus Hamburg, haben Ihre Fragen zum Thema Osteoporose beantwortet. Das Protokoll finden Sie hier. mehr
- Teil 1:
- Teil 2: Welche Symptome sind typisch?
- Teil 3: Ursachen für eine Osteoporose
- Teil 4: Welche Testverfahren gibt es?
- Teil 5: Wie wird behandelt?
- Teil 6: Wie beugt man vor?
Ursachen für eine Osteoporose
Der häufigste Grund ist der Mangel an weiblichen Geschlechtshormonen (Östrogenen) bei Frauen in und nach den Wechseljahren. In etwa 30 Prozent der Fälle ist der Knochenschwund erblich bedingt, daneben gibt es eine ganze Reihe von Risikofaktoren: Bei Frauen gehören eine späte erste Regelblutung und frühe Wechseljahre dazu, bei Männern ein Mangel an Testosteron. Eine ungesunde Lebensweise mit Rauchen, Alkohol, zu wenig Bewegung und falscher Ernährung begünstigt den Knochenschwund ebenso wie bestimmte Medikamente - vor allem Kortisonpräparate und Phenytoin.
Auch Krankheiten wie Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Diabetes, Überfunktion der Schilddrüse oder der Nebenschilddrüsen, Blutarmut und Nierenfunktionsstörungen können die Entstehung von Osteoporose unterstützen.
Eine oft übersehene Ursache für eine Osteoporose bei älteren Patienten mit einer Schilddrüsenunterfunktion kann eine Überdosierung des Schilddrüsenhormons L-Thyroxin sein. Da der Bedarf an Schilddrüsenhormonen im Alter abnimmt, muss die Dosierung dieser lebenslangen Therapie von Zeit zu Zeit überprüft werden.
- Teil 1:
- Teil 2: Welche Symptome sind typisch?
- Teil 3: Ursachen für eine Osteoporose
- Teil 4: Welche Testverfahren gibt es?
- Teil 5: Wie wird behandelt?
- Teil 6: Wie beugt man vor?
Die Diagnose
Frauen ab 60 und Männer ab 70 Jahren sollten ihr Osteoporose-Risiko abklären lassen. Ebenso, wenn man zu einer der genannten Risikogruppen gehört. Auch wer mehr als zweimal pro Jahr ohne äußeren Anlass stürzt oder sturzbegünstigende Medikamente wie Schlafmittel oder Antidepressiva einnehmen muss, sollte sich testen lassen.
Knochendichtemessung gibt Aufschluss
Eine Knochendichtemessung dauert 20 Minuten. Einfache Fragebögen helfen dem Arzt, das individuelle Osteoporose-Risiko zu ermitteln. Mit einer Knochendichtemessung (DXA) lässt sich die Osteoporose sicher diagnostizieren. Dabei durchleuchten Röntgenstrahlen in geringer Dosis Lendenwirbelsäule und Oberschenkelhals. Es wird gemessen, wie intensiv die Strahlung den Knochen durchdringt. Diese Intensität wird dann mit Werten von gesunden 30-Jährigen verglichen. Die Messung dauert zwanzig Minuten. Eine DXA bezahlen die Krankenkassen nur, wenn bereits ein Knochenbruch vorliegt - ansonsten kostet die Messung circa 31 Euro. Eine Knochendichtemessung per Ultraschall - wie sie oft von Frauenärzten als IGEL-Leistung angeboten wird - ist zur systematischen Osteoporose-Früherkennung nicht geeignet.
Sturzrisiko abklären
Ein einfacher Test gibt Auskunft über das Sturzrisiko: Beim sogenannten Chair-Rising-Test muss man fünfmal hintereinander mit verschränkten Armen aufstehen. Werden dafür weniger als zehn Sekunden benötigt, ist das Sturzrisiko gering.
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- Teil 2: Welche Symptome sind typisch?
- Teil 3: Ursachen für eine Osteoporose
- Teil 4: Welche Testverfahren gibt es?
- Teil 5: Wie wird behandelt?
- Teil 6: Wie beugt man vor?
Wie wird behandelt?
Täglich sollten Erwachsene dem Körper etwa 1.000 Milligramm Kalzium (Senioren 1.3000 Milligramm) zuführen - am besten durch eine ausgewogene Ernährung oder aber in Form von Tabletten. Die besten Kalziumquellen sind Milch und Milchprodukte: So decken schon ein halber Liter Milch (120 mg Kalzium/100ml) und zwei Scheiben Emmentaler (1.100 mg/100 g) den täglichen Kalziumbedarf eines Erwachsenen. Auch grünes Gemüse wie Brokkoli, Fenchel, Lauch und Kräuter (Petersilie, Kresse) ist reich an Kalzium.
Ein weiterer guter Kalziumlieferant ist Mineralwasser. Hier sollte auf ein Kalziumgehalt von mehr als 400 Milligramm bei einem möglichst geringen Natriumgehalt geachtet werden. Damit das Kalzium auch optimal in die Knochen eingebaut wird, benötigt der Körper Vitamin D, welches in Form von Vitamin-D-Präparaten aufgenommen werden kann.
Bisphosphonate hemmen Knochenabbau
Bisphosphonate hemmen den Knochenabbau. Auch Bisphosphonate wie Alendronat, Ibandronat und Risedronat hemmen den Knochenabbau und damit das Fortschreiten der Erkrankung. Dazu üben sie zwei Effekte auf den Knochen aus: Zum einen lagern sie sich an der Knochenoberfläche an und bilden eine Art mechanische Schutzhülle um den Knochen, zum anderen haben sie einen hemmenden Einfluss auf die Aktivität der knochenabbauenden Zellen.
Da Bisphosphonate im Darm mit Kalzium unlösliche Komplexe bilden, werden sie nur schlecht aufgenommen. Die Einnahmevorschriften der Packungsbeilage müssen daher genau eingehalten werden. Trotzdem verursachen Bisphosphonate häufig Nebenwirkungen wie Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall.
Alternative: Selektive Östrogen-Rezeptor-Modulatoren
Seit 2007 steht für Frauen, die nach den Wechseljahren an Osteoporose erkranken, mit dem Bisphosphonat Zoledronsäure eine Substanz zur Verfügung, die nur noch einmal jährlich intravenös verabreicht werden muss und deutlich besser verträglich ist. Bei einer Unverträglichkeit oder Unwirksamkeit der Bisphosphonate stehen alternative Medikamente zur Verfügung. Sogenannte selektive Östrogen-Rezeptor-Modulatoren wie Raloxifen ahmen bei Frauen während und nach den Wechseljahren die Wirkung des weiblichen Geschlechtshormons Östrogen am Knochen nach und stimulieren dadurch den Knochenaufbau.
Gentechnologisch hergestellte Antikörper
Reicht diese Wirkung nicht aus, können Mediziner inzwischen auch den gentechnologisch hergestellten Antikörper "Denosumab" (Prolia®) einsetzen. Er wird zwei bis drei Mal pro Jahr gespritzt und hemmt die Bildung, Funktion und das Überleben der Osteoklasten. So lässt sich der Knochenschwund stoppen und vielleicht sogar ein wenig rückgängig machen.
Mit dem körpereigenen Hormon Calcitonin, das den Knochenabbau hemmt, steht eine weitere Therapieoption zur Verfügung. Zwar ist die Wirkung schwächer als die der Bisphosphonate und des Raloxifens, die zusätzlich schmerzstillende Wirkung ist jedoch vorteilhaft bei frischen, osteoporotisch bedingten Knochenbrüchen. Mit Teriparatid, einem künstliche hergestellten Parathormon, steht ein sehr wirksames, aber teures Reservemedikament für schwere Krankheitsverläufe zur Verfügung. Einmal monatlich ins Unterhautfettgewebe injiziert, aktiviert es - wie das körpereigene Hormon aus der Nebenschilddrüse - die knochenaufbauenden Zellen.
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Opiate gegen Schmerzen
30.06.2009 | 20:15 Uhr
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Rheuma, Arthrosen, Osteoporose - chronische Krankheiten gehen oft mit starken Dauerschmerzen einher. Opiathaltige Schmerzmittel, richtig dosiert und individuell abgestimmt, können Abhilfe schaffen.
Video starten (04:58 min)Bewegung wichtig
Neben den hoch wirksamen Medikamenten und einer Kalzium- und Vitamin D-reichen Ernährung spielt Bewegung eine ganz wichtige Rolle, um die Knochendichte wieder zu verbessern. Wichtig ist dabei vor allem die mechanische Stoßbelastung, die den Knochenanbau stimuliert.
Für Jüngere ist zum Beispiel Seilhüpfen geeignet, für Ältere forciertes Treppensteigen oder Walking - oder auch gezieltes Krafttraining unter Aufsicht im Fitnessstudio.
Die Effekte eines Vibrationstrainings für Muskelaufbau und gegen Osteoporose wurden bereits 2004 am Zentrum für Muskel- und Knochenforschung der Berliner Charite untersucht (z.B. in der "Bed-Rest-Studie"). Die Wissenschaftler verwendeten eine Technologie, bei der das Gerät (hier: Galileo-space) beide Füße abwechselnd auf und ab bewegt (wie auf einer Wippe, "seitenalternierend"), ähnlich wie beim Gehen, nur viel schneller.
Wie beugt man vor?
1.000 Milligramm Kalzium sollten Erwachsene täglich aufnehmen. Täglich müssen dem Körper etwa 1.000 Milligramm Kalzium zugeführt werden - Senioren brauchen mehr, um dem gefürchteten Knochenschwund entgegen zu wirken. Experten empfehlen daher im Alter eine Tagesdosis von 1.300 Milligramm. Das entspricht etwa einem großen Becher Joghurt, zwei Scheiben Grau- oder Vollkornbrot, zwei Scheiben Käse, einer Portion Spinat und einem Glas Mineralwasser.
Doch Vorsicht vor phosphathaltigen Lebensmitteln wie Fleisch, Wurst, Fertiggerichten, Cola oder auch Linsen - zu viel Phosphat behindert die Kalziumaufnahme.
Vitamin D wichtig
Damit das Kalzium aus der Nahrung auch in die Knochen eingebaut wird, ist der Körper auf Vitamin D angewiesen, das normalerweise bei Sonneneinstrahlung in der Haut gebildet wird. Genügt die Sonneneinstrahlung nicht, um eine ausreichende Vitamin D-Produktion zu gewährleisten, wird die Einnahme von Vitamin D in Form von Tabletten empfohlen.
Sport stimuliert Knochenanbau
Eine Säule der Osteoporose-Prophylaxe ist der Sport. Wichtig ist vor allem die mechanische Stoßbelastung, die den Knochenanbau stimuliert. Für Jüngere ist zum Beispiel Seilhüpfen geeignet, für Ältere forciertes Treppensteigen oder Walking. Auch gezieltes Krafttraining unter Aufsicht im Fitnessstudio ist empfehlenswert.
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Osteoporose - Welcher Sport tut gut?
Gegen Osteoporose kann man neben der ärztlichen Therapie auch selbst etwas tun - zum Beispiel mit Sport. Doch welche Bewegung ist sinnvoll? Visite stellt verschiedene Sportarten vor. mehr
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